Das intensivste Brauchtum der Stadt Attendorn wird in den Ostertagen praktiziert. Um diese Bräuche alljährlich zu erleben, nimmt man sich als Attendorner Urlaub und als gebürtiger und auswärts lebender Attendorner weite Anfahrtswege in Kauf. Kein Brauchtum der Stadt ist derart emotionsgeladen wie das Osterbrauchtum.
URSPRUNG
Die Ursprünge sind in heidnischen Frühlingsriten zu suchen. Später wurden sie dann mit christlichen Werten angereichert und wurden als solche überliefert.
Die derzeit ältesten bekannten Quellen reichen bis in das Jahr 1658 zurück. Damals versammelte der Attendorner Pfarrer Johannes Zeppenfeld, zehn Jahre nach Beendigung des Dreißgjährigen Krieges, die ältesten Attendorner um sich und ließ sich das kirchliche Brauchtum, wie es vor dem Krieg üblich gewesen war, erklären. In diesem Zusammenhang wird erstmals das heute noch am Karsamstag durchgeführte Semmelsegnen erwähnt. 1725 erfahren wird dann erstmals etwas über das Paschefeuer. Damals hatte man junge Burschen wegen Forstfrevels verklagt. Auch weitere Akten aus dem 19. Jahrhundert berichten weniger über den Ablauf des Osterbrauchtums, wohl aber über zahlreiche Beschädigungen in den umliegenden Wäldern, um das Holz für die Osterfeuer zusammenzutragen. Offensichtlich wurde also bis in unser Jahrhundert das Holz zu den Osterfeuern von der Schuljugend gesammelt und zu den Feuerplätzen gebracht. Die Tannen, die als Osterkreuze verwendet wurden, holte man in Großvatters Berg. 1879 kam es dabei zu einem Eklat. Die Polizei beschlagnahmte die Tannen, etliche Männer wurden verhaftet, einige wurden sogar zu kurzen Gefängnisstrafen verurteilt.
Zu Beginn unseres Jahrhunderts begann man aufgrund der wachsenden Schwierigkeiten mit den Behörden damit, das Osterbrauchtum fester zu organisieren. So erreichte man, daß erstmals 1921 die Tannen für die vier Osterkreuze kostenlos aus den Beständen des Stadtwaldes zur Verfügung gestellt wurden. 1922 gründete sich der Osterfeuerverein Kölner Tor.
Acht Jahre später, am 30. November 1930, wurden die vier Osterfeuervereine Ennester Tor, Kölner Tor, Niederstes Tor und Wassertor in einem Gesamtosterfeuerverein zusammengeschlossen und im Vereinsregister eingetragen. Seit dieser Zeit sind auch die Osterfeuerplätze im Grundbuch eingetragen.
Heute befinden sich nur noch die Osterfeuerplätze des Kölner Tores und des Niedersten Tores an ihren ursprünglichen Stellen. Der Feuerplatz des Ennester Tores wurde in den zwanziger Jahren von den Kalkfelsen am Hollenloch zum Himmelsberg verlegt; das Wassertor mußte wegen der sich immens verdichtenden Bebauung an Heldener Straße und Sassestraße den uralten Feuerplatz am Attahügel verlassen. Das Feuer wurde 1974 erstmals auf dem neuen Osterkopp am Rappelsberg, der von der Stadt Attendorn zur Verfügung gestellt wurde, abgebrannt.
Wenn am Gründonnerstag während des Abendgottesdienstes Orgel und Glocken verstummen, beginnt das Osterbrauchtum in Attendorn. So werden am Karfreitag und Karsamstag die Stunden geblasen. Dabei sind vom Kirchturm der Pfarrkirche zwei lang anhaltende Töne zu hören, die im Oktavintervall auf einem alten Nachtwächterhorn in alle vier Himmelsrichtungen geblasen werden. Gleichzeitig ziehen Kinder mit sogenannten Ratschen, die ein weit hörbares Geräusch verursachen, um die Kirche. Ebenso laufen in der Karwoche die Vorbereitungen zur Herstellung des Ostersemmels auf Hochtouren.
Der Ostersemmel, dessen Teig mit Kümmel durchsetzt ist, hat an den beiden Enden je einen Einschnitt, so daß sich zwei Hörner bilden. Die Form erinnert an die Schwanzflosse eines Fisches, einem Christussymbol der frühen Christen. So ergeben die Anfangsbuchstaben der griechischen Worte 'Jesus Christus Gottes Sohn Retter' aneinandergereiht den Begriff Fisch'. Schon der Maler Albrecht Altdorfer (ca. 1480 - 1538) hat die Form des Attendorner Ostersemmels in einem Gemälde dargestellt.
Nach dem Segnen der Ostersemmel gehen die Poskebrüder in den Stadtwald, um die vier etwa 30 Meter langen Fichten zu schlagen, die am anderen Tag zu Osterkreuzen hergerichtet werden. Gegen 17.00 Uhr finden sich alle vier Osterfeuervereine auf dem Marktplatz ein, wo die Fichten im Rahmen eines Wettbewerbes vermessen werden. Die Länge und der Umfang einer Fichte sind oft Anlaß heftiger Diskussionen zwischen den Generationen. Die Bekanntgabe der Maße ist mit einer plattdeutschen Ansprache und dem Absingen eines plattdeutschen Poskeliedes verbunden.
KREUZAUFSTELLEN AM OSTERSONNTAG
Am Ostersonntag werden die Fichten auf den jeweiligen Köppen hergerichtet. Sie werden zunächst mit einem Querbalken versehen, so daß die Form eines Kreuzes entsteht. Danach befestigt man zwei weitere Streben als Symbol für die Arme Christi, die von den Enden des Querbalkens wieder zur Mitte des Stammes geführt werden. Mit Muskelkraft werden dann die mit Stroh umwickelten Osterkreuze aufgerichtet. Danach werden die Bürden um das Osterkreuz aufgeschichtet. Mehrere Wochen vor Ostern wurden diese Bürden, Äste von etwa 1 Meter Länge, zusammengelegt und zum Trocknen aufgestellt.
Die Osterfeuer werden am Ostersonntag um 21.00 Uhr angezündet. Hierzu gehen Kinder der vier Poorten zur Pfarrkirche, entzünden dort an der Osterkerze eine Pechfackel und zünden damit zunächst die Fackelfeuer auf den Köppen an. An diesem Fackelfeuer entzünden die Kinder ihre Holzfackeln, die kreisförmig um den Kopf geschwungen werden.
Das Zeichen zum Anzünden der eigentlichen Osterfeuer wird von der Pfarrkirche aus gegeben, indem das Kirchturmkreuz elektrisch beleuchtet wird und das Geläut aller acht Glocken ertönt. Ein schlecht brennendes Osterfeuer wird Dümmelfeuer genannt.
Ungefähr eine halbe Stunde nach dem Anbrennen der Osterfeuer ziehen von den ehemaligen Stadttoren vier Prozessionen durch die mit Kerzen geschmückten Straßen zur Pfarrkirche. Dabei werden uralte Prozessionslaternen (Lüchten) vorangetragen. Den Abschluß der Ostertage bildet die feierliche Osterabendandacht im Sauerländer Dom, wobei die vier Lüchten wie die Osterfeuer als Zeichen des Sieges über Leben und Tod zu verstehen sind. Nach der Andacht trifft man sich schließlich noch zum Osterabendsingen auf dem Marktplatz.
DAS SEMMELSEGNEN
Als Teil des einzigartigen Attendorner Osterbrauchtums werden am Karsamstag um 14.00 Uhr an der Pfarrkirche die Ostersemmel gesegnet. Dieser Brauch ist seit 1658 nachgewiesen. Vermutlich ist er jedoch weitaus älter. Im Jahr 2008 berichtete das WDR Fernsehen in der Sendung Lokalzeit über 350 Jahre Semmelsegnen.
Die Ostersemmel, deren Teig mit Kümmel durchsetzt ist, haben an den beiden Enden je einen Einschnitt, so daß sich zwei Hörner bilden. Die Form erinnert an die Schwanzflosse eines Fisches, einem Christussymbol der frühen Christen.